In Zeiten minimaler Habenzinsen bieten Aktienanlagen eine lukrative Alternative. Anleger, die daran interessiert sind, gewinnbringend in ein Unternehmen zu investieren und dabei eine möglichst sichere Geldanlage bevorzugen, wählen häufig Vorzugsaktien.
Wie unterscheiden sich Stamm- und Vorzugsaktien?
Wer sich in Finanzzeitschriften oder Online-Foren mit dem Thema Aktienmarkt beschäftigt, trifft auf die Begriffe Stammaktien und Vorzugsaktien. Bevor man sich für eine Variante entscheidet, sollte man sich über die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der Aktienarten informieren. Erst dann ist es möglich, die Aktienart auszuwählen, die am besten zur eigenen Anlagestrategie passt. Der wesentliche Unterschied zwischen Vorzugs- und Stammaktien besteht in der Ausübung des Stimmrechts.
Welche Rechte sind mit dem Erwerb von Stammaktien verbunden?
Stammaktien bilden für Aktiengesellschaften die wichtigste Eigenkapitalquelle. Diese Aktien sind somit der Normalfall und sichern den Aktionären die im Aktiengesetz verbrieften Rechte:
- Stimmrecht
- Dividendenrecht
- Bezugsrecht
- Recht auf Anteil am Erlös bei einer Liquidation
- Recht auf Information
- Recht auf Rechenschaftslegung
Jede Aktiengesellschaft muss jährlich eine Hauptversammlung veranstalten, bei der die Anteilseigner über die Geschäftspolitik und -entwicklung informiert werden. Neben den Informationsrechten verfügen die Aktionäre auch über ein Mitspracherecht, das sie mit ihrem Stimmrecht wahrnehmen. Auf diese Weise werden Aktionäre an bestimmten unternehmerischen Entscheidungen beteiligt.
Außer den turnusmäßigen jährlichen Hauptversammlungen werden in besonderen Situationen außerordentliche Hauptversammlungen einberufen, auf denen die Aktionäre ebenfalls stimmberechtigt sind. Dabei wird beispielsweise über Kapitalerhöhungen abgestimmt. Je mehr Aktien ein Investor besitzt, umso größer ist sein Einfluss auf die Firmenpolitik. Institutionelle Anleger legen Wert auf diese Art der Einflussnahme und versuchen deshalb, möglichst große Aktienpakete zu erwerben.
Video: Aktienarten einfach erklärt! Stammaktien, Vorzugsaktien etc.
Auf welche Rechte verzichten Inhaber von Vorzugsaktien?
Der wesentliche Unterschied bei dieser Aktienart besteht darin, dass die Aktionäre auf ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung verzichten. Das ist sowohl für die Investoren als auch für die Aktiengesellschaft vorteilhaft. Das Unternehmen muss weniger Stimmrechte einräumen, kann unabhängiger entscheiden und hat mehr Kontrolle über die Geschäftspolitik. Als Ausgleich werden die Eigentümer dieser Aktien mit einer höheren Dividende entlohnt. In wirtschaftlich schwächeren Zeiten erhalten manchmal sogar ausschließlich die Inhaber der Vorzugsaktien eine Dividende.
Vorzugsaktie: Firmenanteil ohne Stimmrecht
Anleger, die Vorzugsaktien erwerben, erhalten zwar einen Anteil an der Aktiengesellschaft, dieser ist jedoch nicht mit dem üblichen Stimmrecht ausgestattet. Bei einer Kapitalerhöhung kann das Unternehmen neben Stamm- auch Vorzugsaktien ausgeben, die ebenfalls an der Börse gehandelt werden. Dort oder bei Börseninformationsdiensten können sich die Aktionäre über die Wertentwicklung informieren.
Aktiengesellschaften dürfen maximal die Hälfte des Eigenkapitals über Vorzugsaktien generieren (§ 139 Deutsches Aktiengesetz), denn es gehört zu den wesentlichen Merkmalen einer AG, die Aktionäre mitbestimmen zu lassen. Mit der Begrenzung auf 50 Prozent wird sichergestellt, dass das Mitspracherecht nicht ausgehebelt wird, sondern von mindestens der Hälfte aller Anteilseigner wahrgenommen werden kann.
Es gibt verschiedene Arten von Vorzugsaktien:
- wandelbare Vorzugsaktie
- kumulative Vorzugsaktie
- limitierte Vorzugsaktie
- Vorzugsaktie mit Vorabdividende oder Überdividende
- Vorzugsaktie mit Mehrfachstimmrecht
Wandelbare Vorzugsaktie
Eine Aktie, die nach einer vorher festgelegten Zeit von einer Vorzugs- zur Stammaktie umgewandelt werden kann, nennt man wandelbare Vorzugsaktie. Aktiengesellschaften, die frisches Eigenkapital benötigen, aber bis auf Weiteres keine Einflussnahme der Aktionäre wünschen, erhöhen mit diesen Aktien den Anreiz zu investieren. Die wandelbaren Aktien werden entweder durch Umwandlung oder aber durch Auszahlung des entsprechenden Anteils am Liquidationserlös zu Stammaktien. Das Stammkapital wird damit indirekt erhöht.
Kumulative Vorzugsaktie
Eigentümer dieser Aktien erhalten auch dann eine Dividende, wenn die Aktiengesellschaft Verluste erwirtschaftet hat oder die Gewinne nicht ausreichen, um alle Aktionäre mit Dividendenzahlungen zu befriedigen. Das Unternehmen muss in den Folgejahren die Dividende an die Inhaber der kumulativen Aktien auszahlen, sobald dies möglich ist. Ist es nicht möglich, die Dividenden nachträglich auszuzahlen, weil die Gewinne weiterhin nicht ausreichen, müssen die Vorzugs- in Stammaktien umgewandelt werden und der Aktionär erhält ein Stimmrecht.
Diese Umwandlung wird nach § 140 des Deutschen Aktiengesetzes jedoch dann rückgängig gemacht, wenn die geschuldeten Dividenden in vollem Umfang ausgezahlt wurden. Vorzugsaktien können also nur dann kumulativ sein, wenn Dividenden ausstehen. Für den Aktionär ist der Erwerb kumulativer Aktien mit einer erhöhten Sicherheit verbunden, tatsächlich Dividenden zu erhalten. Bessert sich die Gewinnsituation des Unternehmens jedoch nicht, müssen auch die Inhaber der kumulativen Vorzugsaktien durch die dann stattfindende Umwandlung in Stammaktien Verluste hinnehmen.
Limitierte Vorzugsaktie
Dabei erfolgt die Begrenzung der Dividende auf einen festgesetzten Betrag. Wenn ein höherer Gewinn erwirtschaftet wird, wird dieser ausschließlich unter den Inhabern der Stammaktien verteilt. Die Eigentümer dieser Aktien werden vom Profit an höheren Gewinnen ausgeschlossen.
Vorzugsaktie mit Vorabdividende oder Überdividende
Eine Vorabdividende wird vor der Verteilung der restlichen Dividende ausgezahlt. Erst der verbleibende restliche Gewinn wird dann auf alle Aktionäre verteilt. Im Falle der garantierten Überdividende erhält der Aktionär grundsätzlich eine höhere Dividende als die anderen Aktionäre.
Vorzugsaktie mit Mehrfachstimmrecht
Es gibt auch Vorzugsaktien, die mit einem Stimmrecht ausgestattet sind. Dies ist jedoch in Deutschland nicht gestattet. In anderen Ländern sind diese Aktien teilweise sogar mit einem mehrfachen Stimmrecht verbunden, sodass eine besonders große Einflussnahme der Aktionäre möglich ist.
Welche Aktienart ist für private Anleger empfehlenswert?
Beide Aktienarten haben Vor- und Nachteile. Der Wert der einzelnen Aktien wird nicht davon beeinflusst, ob es sich um Vorzugs- oder Stammaktien handelt, denn jede Aktie steht für einen identischen Anteil am Vermögen. Somit partizipiert der Inhaber in gleichem Umfang an der Kursentwicklung der Aktien.
Video: Aktiensplit – was ist das?
Aktiensplit oder Verschmelzung von Vorzugs- und Stammaktien
Bei einem Aktiensplit werden beide Aktienarten gleichmäßig gesplittet, damit keine Benachteiligung erfolgt. Das Verhältnis des Splits wird dabei durch das Verhältnis von Vorzugs- zu Stammaktien definiert.
Die Hauptversammlung kann auch eine Verschmelzung beider Aktienarten beschließen. Teilweise gehen Unternehmen so vor, damit die Aktien leichter gehandelt werden können und sich deshalb ihre Attraktivität erhöht. Weil auf diese Weise der Anteil an Stammaktien steigt, verfügt die Aktiengesellschaft gleichzeitig über mehr flexibel verfügbares Kapital, denn es sind nicht von vornherein Dividendenzahlungen garantiert.
Manchmal führen Unternehmen eine Verschmelzung durch, um die Chance zu erhöhen, in einen Aktienindex aufgenommen zu werden. Eine Übernahme wird ebenfalls durch eine Verschmelzung vorbereitet. Wird dadurch das Wachstum des Unternehmens gestärkt, profitieren die Aktionäre durch steigende Aktienkurse und das eingeräumte Stimmrecht bei der Hauptversammlung.
Video: Aktienarten unterschieden nach Rechten
Vorteile für die Aktionäre und das Unternehmen
Aktionäre profitieren in erster Linie durch die bevorzugte Behandlung bei der Ausschüttung von Dividenden. Verfügen sie über kumulative Aktien, haben Anleger sogar dann ein Recht auf Dividendenzahlung, wenn die Aktiengesellschaft keinen Gewinn erwirtschaften konnte. Aus diesem Grund ist für die Aktionäre die Kursentwicklung weniger entscheidend. Ein weiterer Vorteil besteht in der bevorzugten Behandlung bei einer Liquidation.
Inhabergeführte Aktiengesellschaften und Familienunternehmen vermeiden mit der Ausgabe von Aktien ohne Stimmrecht eine zu hohe Einflussnahme durch die Aktionäre. Selbst wenn eine Kapitalerhöhung erforderlich oder sinnvoll ist, führt dies nicht zu einer ungünstigen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse. Außerdem schützt ein hoher Anteil an Aktien ohne Stimmrecht vor Übernahmen, denn diese Aktien sind dann weniger begehrt. Bei einem niedrigen Kurs kann jedoch die Attraktivität für Anleger durch die garantierten Dividenden erhöht werden und Unternehmen können trotz mäßiger Kursentwicklung an der Börse frisches Eigenkapital besorgen.
Sind Vorzugsaktien für Anleger uneingeschränkt empfehlenswert?
Trotz der genannten Vorteile sollten Investoren berücksichtigen, dass sich die Entscheidung für die Vorzugsaktie bei unerwartet positivem Geschäftsverlauf als nachteilig erweisen kann. Eine im Voraus festgelegte Dividende wird nicht durch einen über der Erwartung liegenden Gewinn verändert. Allerdings spricht das relativ geringe Risiko für diese Form der Geldanlage bei ansonsten niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Wie bei allen Aktienarten ist ein Kapitalverlust nicht auszuschließen.
Tipps für den Aktienkauf
Auch Vorzugs- werden wie Stammaktien an der Börse gehandelt. Man kann sich vorab bei der Bank oder auf Portalen im Internet darüber informieren, welche Aktiengesellschaften diese Aktien anbieten. Vor der Entscheidung sollten sich Anleger über die Rechte wie das Nachbezugsrecht nach einem etwaigen Ausfall und die Höhe der festgelegten Dividende informieren.
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